Nina Simone in Weimar

Radio Vision
ein bericht von fdr & mh 1997

Nina Simone beim Kunstfest in Weimar

Eine alte Frau blickt zurück auf ihr erfolgreiches Leben, erinnert sich an ihre Karriere. Die einstige Hohepriesterin des Soul versuchte mit letzter Kraft, die eigene Legende auf dem Schloßplatz Belvedere noch einmal aufleben zu lassen. Ob ihr das vor den 1700 Zuschauern gelang, ist fraglich.

Der Zuschauer sah eine 64-jährige Frau, die Mühe hatte, ohne Hilfe auf die Bühne zu kommen, zwei Herren griffen ihr unter die Arme. Mit rauchiger Stimme, oft den Ton nicht treffend, sang sie einstige Hits. Sie berichtete von den Kämpfen um die Gleichberechtigung aller Rassen und um den Weltfrieden, die sich 1933 in ihrer Heimatstadt North Carolina abspielten. Nina Simone entschuldigt das Kratzen in ihrer Stimme mit den Worten : "Ich bin keine 25 mehr". Viele Zuschauer zeigten Respekt, andere verließen enttäuscht das Feld.

Wer geblieben war, wurde belohnt: mit rauher Stimme sang sie einen Tina Turner Titel und begeisterte das Publikum mit dem Bob Marley Song "No Woman, No Cry". Die Stimmung wurde besser. Die Hymne der US-Bürgerrechtsbewegung "We Shall Overcome" wurde am Ende gemeinsam angestimmt. Die Standing Ovations galten sicher auch ihrem Lebenswerk und belohnten die Jazz Lady f&uumlr ihre Anstrengungen.

Bleibt zu hoffen, daß das Bild der Legende durch dieses Konzert nicht getrübt wurde und die Fans sich trotzdem gern an sie erinnern.

Thüringer Allgemeine 30 June 1997

Von der Aura der Gesangskunst Nina Simone live - viel spannender kann ein Jazz-Konzert nicht sein

... "Artiger Applaus" für Nina Simone!? Mitnichten, die Frau wurde gefeiert. Und sie hatte darum gekämpft, eineinhalb Stunden lang.

64 Jahre alt, von der Karriere gezeichnet. "Die Stimme klingt rostig, wie zehn Jahre nicht gebraucht", lästerte eine Zuhörerin. Natürlich wäre man, wenn man eine klare Intonation erwartet hat, in der Oper besser aufgehoben gewesen.

Aber was das Konzert so unvergleichlich spannend machte, waren nicht digital gefeilte Seufzer, sondern die Frau: Ihre immer noch voluminöse Stimme, ihr Groove, ihre Geschichte, die sie mit Körper, Stimme und Gesten erzählte. Nicht jeder Ton ihrer Piano-Läufe stimmte exakt, doch spielte sie kraftvoll wie keine, unbestechlich stand der Beat. ...

... Weimar kann man um sein Kunstfestpublikum nur beneiden.
Selbst in Augenblicken der Verwirrung wahrt es die Contenance und spendet artig Beifall. Nina Simone, die Grand Old Dame des Jazz, Gospel und Soul, gastierte am Sonnabendabend im Schloßpark Belvedere und die ersten Gäste gingen nach zehn Minuten. Hätte man das vorher prophezeit, ungläubiges Kopfschütteln hätte man geerntet. So aber erlebten etwa 1700 erwartungsvolle Gäste im idyllischen Grün des Parkes den Abgesang eines ehemaligen Stars. Schade drum. ...